Bildungszentrum Wildberg (Druckversion)

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Artikel vom 03.02.2020

„Da wurden die Schüler ganz still und aufmerksam!“

Anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung des Vernichtungslagers in Ausschwitz durch die Rote Armee durfte das Bildungszentrum Wildberg eine wahrhaft besondere Zeitzeugin als Gast begrüßen. In Kooperation mit dem Projekt „Papierblatt“ aus Wildberg konnte die 91-jährige Ruth Michel für den Geschichtsunterricht gewonnen werden. Als Ruth Michel 1928 in Königsberg, dem heutigen Kaliningrad, als Ruth Rosenstock das Licht der Welt erblickte, ahnte niemand, wie grausam ihre ersten Lebensjahre verlaufen würden. Die authentischen Einblicke in das Leben Ruth Michels  stellten sich daraufhin als  wahres Geschenk für die anwesenden Jugendlichen heraus.

Beeindruckt und schockiert zugleich zeigten sich die Jugendlichen, als sie von Ruth Michel hautnah in ihr Leben während des Naziregimes mitgenommen wurden. Im Zuge der „Nürnberger Rassengesetze“ musste Michels 1935 zusammen mit ihrer Familie fliehen. In Mykulytschyn, einem Ort in der heutigen Urkaine, fand die Familie Zuflucht bei der Verwandtschaft. Als Flüchtlingsfamilie hatte Michels bereits in dieser Zeit mit Ausgrenzungen und Hänseleien zu kämpfen. Doch als die Wehrmacht 1941 Russland angriff, wurde das Leben zu einem wahren Überlebenskampf. Als Tochter eines Juden und einer evangelischen Christin entschied sich ihr Vater dazu, sich von der Familie zu entfernen, um diese aufgrund seiner hebräischen Herkunft zu schützen. Noch im selben Jahr musste Michels dann mit eigenen Augen sehen, wie Juden abgeführt und mit Lastwagen abtransportiert wurden. Eines der Opfer war auch Michels Vater.

Diese und weitere leidvoll erlebten Erfahrungen brachten die Schüler zum Nachdenken und führten zu einer ganz einzigartigen und andächtig anmutenden Stille  während Michels Ausführungen. „Nur aus den Geschichtsbüchern kann man nicht so viel mitnehmen, wie bei einer Person, die das alles selbst miterlebt hat.“ Diese  Aussage einer Schülerin steht exemplarisch für den Eindruck, den Michels während ihres Aufenthaltes am Bildungszentrum hinterließ.

Dass Begegnungen dieser Art eine große Bedeutung für die Gesellschaft haben, zeigte sich nicht zuletzt durch die Präsenz des Fernsehsenders RegioTV, der in seinen Hauptnachrichten ausführlich von Michels Besuch am Bildungszentrum berichtete. Eindrucksvoll gestalteten sich auch die Interviews mit den Beteiligten. Mit der reflektierten Aussage eines Schülers, dass die Erlebnisse Michels auf andere, aktuelle gesellschaftliche Probleme im sozialen Miteinander übertragen werden könnten, wurde deutlich, welch tiefen Eindruck Ruth Michels Geschichtsunterricht aus erster Hand bei den Jugendlichen hinterließ. Link zum Fernsehbeitrag

Den Kontakt zwischen Schule und Zeitzeugin knüpfte das Wildberger Projekt „Papierblatt“, das es sich zum Ziel gesetzt hat, Zeitzeugen und deren Erinnerungen online zu Wort kommen zu lassen. Dieses Projekt, das im Internet unter der Adresse www.papierblatt.de zu finden ist, versteht sich unter anderem als „digitale Plattform für Unterricht und Forschung“ und leistet somit einen nicht hoch genug einzuschätzenden Beitrag dafür, dass die Grausamkeit dessen, was in den Jahren 1933 bis 1945 in Deutschland passierte, nicht in Vergessenheit gerät.

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